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Barrierefreiheit im Online-Shopping: Warum es mehr ist, als nur eine gesetzliche Verpflichtung

Coding 9 GmbH | 20.12.2023 - 6 Min. Lesezeit

Das Internet hat sich längst zu einem unverzichtbaren Bestandteil unseres Alltags entwickelt, und Online-Shopping ist ein treffendes Beispiel für die Selbstverständlichkeit, mit der wir digitale Angebote nutzen. Mit nur wenigen Klicks können wir zu jeder Tageszeit in unserem bevorzugten Online-Shop stöbern und einkaufen – ein Komfort, der Zeit und Wege spart.

Dieser Zugang zum Online-Shopping ist jedoch nicht nur bequem, sondern auch für Menschen mit Behinderungen eine wertvolle Alternative zum traditionellen Handel. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) markiert dabei einen wegweisenden Schritt, indem es erstmals private Wirtschaftsakteure wie Online-Shop-Betreiber dazu verpflichtet, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten.

a person sitting in a wheelchair with a tablet
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Ab Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vollumfänglich in Kraft, das privatwirtschaftliche Anbieter*innen digitaler Produkte und Dienstleistungen gesetzlich verpflichtet, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten – ausgenommen sind dabei Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und höchstens 2 Millionen Euro Jahresumsatz.

Warum ist das notwendig?

In einer Zusammenarbeit haben Aktion Mensch, Google, die Stiftung Pfennigparade und die Beratungsagentur BITV-Consult eine Studie zur Barrierefreiheit in deutschen Online-Shops durchgeführt. Die Studie richtete ihren Fokus auf insgesamt 78 der in Deutschland meistbesuchten Onlineshops, die vollständige E-Commerce-Webshops anbieten.

Die Untersuchung erfolgte anhand von zentralen Prüfkriterien zur Barrierefreiheit, die den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) entsprechen:

  1. Bedienung der Seite per Tastatur statt per Maus: Die Studie analysierte, ob die Webseiten mit einer Tastatur bedient werden können, was insbesondere für Menschen mit motorischen Einschränkungen von großer Bedeutung ist.

  2. Verständliche Beschriftung und Erklärung auszufüllender Formularfelder: Hier lag der Fokus auf der Gewährleistung von klaren und verständlichen Informationen in Formularfeldern, um eine reibungslose Interaktion für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu ermöglichen.

  3. Veränderbarkeit der Textgröße: Die Möglichkeit, die Textgröße anzupassen, ist ein essenzielles Kriterium für Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen visuellen Einschränkungen.

  4. Veränderbarkeit des Zeichen- und Zeilenabstands ohne Inhaltsverlust: Die Studie prüfte, ob Webseiten eine flexible Anpassung des Zeichen- und Zeilenabstands erlauben, um die Lesbarkeit für Menschen mit Sehbehinderungen zu verbessern.

  5. Möglichkeit multimediale Inhalte zu pausieren, zu beenden oder auszublenden: Eine zentrale Anforderung für Menschen mit sensorischen Beeinträchtigungen, um multimediale Inhalte nach ihren Bedürfnissen zu steuern.

  6. Aussagekräftige und verständliche Überschriften und Beschriftungen: Die Untersuchung legte Wert auf klare und aussagekräftige Überschriften, um die Navigation für alle Nutzer zu erleichtern.

  7. Auslesbarkeit interaktiver Elemente durch assistive Technologien: Hier wurde überprüft, ob assistive Technologien, wie Screenreader, in der Lage sind, interaktive Elemente wie Drop-Down-Menüs oder Buttons zu interpretieren.

Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert. Von den untersuchten Webshops waren 75% nicht barrierefrei. Lediglich 17 Shops erfüllten das Kriterium der Tastaturbedienbarkeit, und wiederrum nur 12 von diesen erfüllten sämtliche Kriterien zur Barrierefreiheit, was 15% der getesteten Online-Shops entspricht. Der ausführliche Testbericht ist hier öffentlich zugänglich und bietet einen tiefen Einblick in die gegenwärtige Situation der Barrierefreiheit in deutschen Online-Shops.

Wer profitiert von digitaler Zugänglichkeit?

Die Bedeutung von Barrierefreiheit im Internet erstreckt sich über eine Vielzahl von Nutzergruppen, wobei der positive Einfluss weitreichend ist. Eine umfassende Betrachtung zeigt, dass Barrierefreiheit nicht nur eine rechtliche Verpflichtung ist, sondern auch einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung einer inklusiven digitalen Gesellschaft leistet.

Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen:

Barrierefreiheit im Internet ist besonders wichtig für Menschen mit unterschiedlichen Arten von Beeinträchtigungen. Dazu gehören körperliche, motorische und kognitive Einschränkungen, Seh- und Hörbehinderungen sowie Farbenfehlsichtigkeit. Ein barrierefreies Internet ermöglicht diesen Menschen uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen, was ihre Lebensqualität erheblich verbessert.

Temporär eingeschränkte Menschen:

Ob durch vorübergehende Unfälle, Krankheiten, Operationen oder den Einsatz von Medikamenten – viele Menschen erleben temporäre Einschränkungen. Barrierefreiheit im Internet gewährleistet, dass auch diese Personen weiterhin digital aktiv sein können, während sie sich in der Genesungsphase befinden.

Senior*innen:

Die alternde Bevölkerung profitiert ebenfalls erheblich von barrierefreien digitalen Angeboten. Sehbeeinträchtigungen aufgrund des Alters, eingeschränkte Motorik oder kognitive Herausforderungen werden durch barrierefreie Gestaltung kompensiert und ermöglichen älteren Menschen eine uneingeschränkte Teilnahme am digitalen Leben.

Menschen mit eingeschränkter Deutschkenntnis:

Für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, kann Barrierefreiheit im Internet die Verständlichkeit erhöhen. Klare Beschriftungen, leicht verständliche Navigation und barrierefreie Inhalte ermöglichen es dieser Gruppe, sich besser im digitalen Raum zu orientieren.

Laut Studien von Aktion Mensch nutzen Menschen mit Beeinträchtigungen Online-Shops sogar häufiger als Menschen ohne Beeinträchtigungen. Dies kann auf die eingeschränkte Mobilität vieler beeinträchtigter Menschen zurückgeführt werden, wodurch Online-Shopping für sie nicht nur komfortabler, sondern oft auch notwendig ist.

Insgesamt verdeutlichen diese Erkenntnisse, dass Barrierefreiheit im Internet nicht nur für bestimmte Gruppen von Nutzern relevant ist, sondern eine grundlegende Voraussetzung für eine vielfältige, inklusive und zukunftsorientierte digitale Gesellschaft darstellt.

Barrierefreie Webshops gestalten: Ein paar Hinweise für einen erfolgreichen Start

Die Umsetzung von Barrierefreiheit in Online-Shops erfordert einen strukturierten Ansatz und die Beachtung essenzieller Prinzipien. Hier sind einige Schlüsselaspekte, die Unternehmen berücksichtigen sollten, um barrierefreie Webshops zu gestalten:

Verständnis für die Zielgruppe entwickeln:

Ein entscheidender erster Schritt besteht darin, die Zielgruppe für digitale Barrierefreiheit zu verstehen. Hierbei können informative Websites wie "BIK für Alle" hilfreich sein. Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin bietet beispielsweise einen Sehbehinderungs-Simulator an, der es ermöglicht, verschiedene Sehbehinderungen nachzuvollziehen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen verstehen:

Es ist unerlässlich, sich einen Überblick über die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verschaffen. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) legt klare Vorgaben fest, die privatwirtschaftliche Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen dazu verpflichten, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten. Zu beachten sind dabei die EN 301 549 für barrierefreie Websites und Apps, insbesondere im Kontext der EU-Richtlinie 2019/882. Eine englischsprachige PDF der EN 301 549 können Sie hier abrufen.  In Kapitel 9 finden Sie die Anforderungen für Websites und in Kapitel 11 die für Software. Für andere Produkte und Dienstleistungen sind die Standards noch nicht definiert.

Erfahrungsaustausch und Vernetzung:

Ein wichtiger Schritt besteht darin, Erfahrungen mit anderen Unternehmen, Netzwerken und Verbänden auszutauschen. Der Bundesverband Börsenverein des Deutschen Buchhandels bietet beispielsweise Informationen und Webinare zur Barrierefreiheit in der Branche. Diese gemeinsame Vernetzung ermöglicht es, von bereits gemachten Erfahrungen zu lernen und Best Practices zu teilen.

Vermeidung von Overlay-Tools:

Es ist ratsam, den Einsatz von Overlay-Tools zu vermeiden. Obwohl sie die Zugänglichkeit einer Website verbessern sollen, können sie einen Webauftritt nicht vollständig barrierefrei machen. Stattdessen sollten Entwickler und Online-Redakteure spezifische Aufgaben im Content-Management-System übernehmen, wie das Hinzufügen von Alternativtexten zu Bildern und Grafiken.

Beachtung der POUR-Prinzipien:

Die Umsetzung barrierefreier Websites basiert auf den POUR-Prinzipien:

  • Wahrnehmbarkeit (Perceivable): Alle Bestandteile und Inhalte der Website müssen für Nutzer wahrnehmbar sein, unabhängig von ihren Fähigkeiten.

  • Bedienbarkeit (Operable): Alle Anwendungselemente müssen problemlos bedienbar und navigierbar sein.

  • Verständlichkeit (Understandable): Präsentierte Informationen und die Bedienung der Anwendung müssen verständlich sein.

  • Robustheit (Robust): Inhalte sollten robust genug sein, um von verschiedenen Browsern und assistiven Technologien interpretiert und bedient werden zu können.

Die Beachtung dieser Prinzipien bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung von Barrierefreiheit in Online-Shops. Dies schafft nicht nur eine inklusivere Umgebung, sondern stellt auch sicher, dass Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden und ihre digitale Präsenz für eine breite Nutzerbasis zugänglich machen.

Warum es Clever ist, den Onlineshop Jetzt Barrierefrei zu Gestalten

Die Umstellung auf einen barrierefreien Onlineshop ist nicht nur eine ethische Entscheidung, sondern bietet auch zahlreiche strategische und praktische Vorteile. Hier sind einige überzeugende Gründe, warum Unternehmen diese Maßnahme jetzt in Angriff nehmen sollten:

Proaktive Anpassung an das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG):

Mit dem vollständigen Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes im Juni 2025 werden private Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen gesetzlich verpflichtet, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten. Die rechtzeitige Umsetzung stellt sicher, dass Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen proaktiv entsprechen und mögliche Sanktionen vermeiden können.

Vermeidung von Zeitdruck und Hektik:

Die Umstellung auf Barrierefreiheit kann Zeit in Anspruch nehmen, insbesondere wenn größere Anpassungen an der Website erforderlich sind. Durch eine frühzeitige Initiative vermeiden Unternehmen den Zeitdruck und die damit verbundene Hektik, die mit Last-Minute-Anpassungen einhergehen können. Dies ermöglicht eine sorgfältige Planung und Implementierung.

Unterstützung durch Beratungsfirmen:

Zum aktuellen Zeitpunkt sind Beratungsfirmen möglicherweise noch nicht mit einer Vielzahl von Anfragen zur Umsetzung von Barrierefreiheit überlastet. Das bedeutet, dass Unternehmen, die jetzt handeln, möglicherweise von einer schnelleren und effizienteren Unterstützung durch Experten profitieren können.

Erschließung neuer Zielgruppen:

Die Schaffung eines barrierefreien Onlineshops eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, eine neue Zielgruppe zu erreichen. Indem sie Barrieren für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten beseitigen, können Unternehmen ihre Reichweite erheblich erweitern und einen positiven Beitrag zur inklusiven Gesellschaft leisten.

Wettbewerbsvorteil durch frühzeitige Etablierung:

Frühzeitig barrierefrei zu werden, ermöglicht es Unternehmen, sich als Vorreiter in Sachen digitaler Zugänglichkeit zu etablieren. In einer Zeit, in der Verbraucher vermehrt Wert auf soziale Verantwortung legen, kann dies zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil führen.

Usability und SEO-Optimierung:

Barrierefreiheit verbessert nicht nur die Zugänglichkeit, sondern auch die Usability von Websites. Eine benutzerfreundliche Website führt zu einer positiven Nutzererfahrung, was sich wiederum positiv auf das Image und die Kundenbindung auswirkt. Zudem trägt Barrierefreiheit zur SEO-Optimierung bei, was das Suchmaschinen-Ranking verbessert.

Insgesamt zeigt sich, dass die zeitnahe Umsetzung von Barrierefreiheit nicht nur gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern auch eine strategisch kluge Entscheidung darstellt. Unternehmen können von einem reibungslosen Übergang, einem erweiterten Kundenkreis und einem stärkeren Wettbewerbsvorteil profitieren, indem sie jetzt die Weichen für einen inklusiven Onlineshop stellen.

Die Proaktivität, den Onlineshop bereits jetzt barrierefrei zu gestalten, bedeutet nicht nur eine frühzeitige Antwort auf das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, sondern auch eine bewusste Entscheidung für Kundenzufriedenheit, Imagegewinn und eine breitere Marktabdeckung. Durch die Umsetzung der POUR-Prinzipien - Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit - schaffen Unternehmen nicht nur Zugänglichkeit, sondern auch ein positives Nutzererlebnis, das weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht.

Der Mehrwert, der sich aus einem barrierefreien Onlineshop ergibt, ist nicht nur in quantifizierbaren Größen wie Suchmaschinen-Rankings oder Kundenbindung zu finden, sondern auch in der wachsenden Bedeutung von sozialer Verantwortung und Inklusivität. Mit jedem Klick, mit jedem Einkauf tragen Unternehmen dazu bei, eine digitale Landschaft zu formen, die allen Menschen gleichermaßen offen steht.

Du willst deinen Onlineshop umbauen?

Wir bei Coding 9 sind bereit, dich bei der Umgestaltung zu einem barrierefreien Webshop zu unterstützen. Kontaktiere uns jetzt, um mehr zu erfahren und deinen Shop schnellstmöglich auf die neue Gesetzgebung vorzubereiten. Lass uns die Arbeit übernehmen, damit du dich auf andere wichtige Aufgaben konzentrieren kannst.

Portrait von Alexander Schikowsky

Alexander Schikowsky

Geschäftsführer

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